Aus der taktischen Grundformation 3-4-3 hat der SC Freiburg diese Saison schon viele verschiedene Defensivstrategien gezeigt. Gegen Union Berlin kam eine neue hinzu: 5-3-2. Streich erklärte, warum er sich dafür entschieden hat und warum es einmal nicht klappte.
Herstellung des 5-3-2 aus dem 3-4-3
Die übliche Defensivausrichtung einer Dreierkette verschiebt gegen den Ball aus dem 3-4-3 zu einer defensiven Fünferkette in ein 5-2-3. Vor allem gegen Viererketten ist es üblich, dass die äußeren Offensivspieler sich mit den gegnerischen Außenverteidigern zurückfallen lassen, sodass effektiv ein 5-4-1 entsteht. Der SC Freiburg wählte gegen Union Berlins 3-5-2 aber eine andere Möglichkeit.
Christian Streich spiegelte Berlins Offensivformation auch mit seiner Defensive und zog dafür Vincenzo Grifo von Linksaußen in die Mittelfeldzentrale zurück. Grifo spielte zusammen mit Maximilian Eggestein eine „Doppel-Acht“ vor Sechser Nicolas Höfler. Rechtsaußen Woo-Yeong Jeong bildete mit Lucas Höler die Doppelspitze.
Warum die Abweichung?
„Das hatte mit Union Berlin zu tun“, erklärt Christian Streich in der Pressekonferenz, „Awoniyi ist kopfballstark, da fallen die Bälle [nach hohen Anspielen] in die Zwischenräume runter und werden direkt tief gespielt – auf die Flügel oder in die Halbräume.“ Union Berlin besetzt diese Halbräume jeweils selbst aus der Mittelfeldzentrale.
In ihrem 3-5-2 sind die beiden Achter Grischa Prömel (LZM) und Genki Haraguchi (RZM) dafür verantwortlich, in diese Räume vorzustoßen und die von Awoniyi abgelegten Bälle in die Spitze zu spielen. In einem Zwei-Mann-Mittelfeld würde das bedeuten, dass beide zentralen Spieler damit gebunden sind, die Achter zu verteidigen. Fallende Stürmer oder der gegnerische Sechser könnten sich frei bewegen.
„Wenn du weiter drauf gehst, musst du sehr weit rausrücken. Da kann es sein, dass der Gegner Raum und Tempovorteile hat. Das wollten wir unterbinden, indem wir in diesem Spiel eine abwartendere Haltung gewählt haben. Das hat funktioniert“, resümiert der Cheftrainer die Defensivtaktik der ersten Halbzeit.
Problemstellen des 5-3-2
Doch nicht immer hat das so funktioniert, wie es geplant war. Auch der SC Freiburg hat den Gegner häufiger geknackt, obwohl dieser in einem 5-3-2 verteidigte. Beim SC Freiburg wurde dies durch Andribbeln der Innenverteidiger erreicht (Freiburgs Innenverteidiger: Kreativität und Aggressivität im richtigen Moment), dabei wurde die gegnerische Fünferkette überladen und in Zwischenräume gespielt.
Ähnlich organisierte sich Union Berlin in der 23. Minute. Der Ball wurde die Innenverteidiger-Reihe von links nach rechts gespielt. Der rechte Innenverteidiger Paul Jaeckel dribbelte etwas an, dadurch lies sich Vincenzo Grifo aus seiner Position locken. Die beiden Achter stoßen von sich aus in die Tiefe, was zu einem Überladen der Fünferkette führte (Trimmel-Haraguchi-Becker-Awoniyi-Prömel-Gießelmann in vorderster Reihe sind sechs Gegenspieler).
Sheraldo Becker ließ sich dann in Grifos Rücken in den Zwischenraum fallen und konnte angespielt werden. Mit dem Ball drehte er sich um und es wurde ein 6-gegen-5 der letzten Ketten erzeugt.
Welche Fehler passierten?
„Wir haben uns links binden lassen, dann ist der Zwischenraum leicht diagonal aufgegangen. Dann wurde da reingespielt und Becker lässt sich fallen“, rekapituliert Streich die Szene und analysiert weiter: „Dann muss der Innenverteidiger von uns vertikal raus, aber er hat sich entschieden, hinten zu bleiben. Becker hat den Ball nicht klatschen lassen, sondern sich gedreht.“
Diese 6-gegen-5-Überzahl der Berliner konzentriert sich zentral auf ein 4-gegen-3. Die Achter Haraguchi und Prömel halten die äußeren Innenverteidiger breit, Keven Schlotterbeck muss sich zentral zu Becker orientieren. Dabei macht er zwar gut den direkten Passweg zu Awoniyi zu, dieser setzt sich aber in seinem Rücken ab und kann durch den Zwischenraum auf der anderen Seite angespielt werden.
Die Fehlersuche gestaltet sich schwierig. Christian Streich sieht Grifo und einen der Innenverteidiger in der Pflicht: „Dann muss der Innenverteidiger von uns vertikal raus, aber er hat sich entschieden, dass er bleibt.“ Gemeint ist wohl Nico Schlotterbeck, denn Lienhart ist nicht in der Nähe und sein Bruder Keven wird von Awoniyi gebunden. Haraguchi auf dem Flügel ist Streich wohl lieber als Awoniyi frei vor dem Tor. Zum Glück parierte Torhüter Mark Flekken stark gegen Berlins Goalgetter.
5-3-2 als Sicherheits-System
Auch wenn es diese eine Szene gab, in der das System fehlerhaft ausgeführt wurde, muss man Christian Streich zu diesem taktischen Kniff gratulieren, denn alles funktionierte sonst wie erwartet. Union Berlin fand kaum Räume zum Umschalten und kam bis auf einen Stocherschuss nach einem Einwurf von links auf keine nennenswerten Chancen mehr.
Im Gegenzug arbeitete man sich vereinzelt Chancen heraus. Jeong konnte sich in der 33. Minute absetzen und wurde von Grifo in der Tiefe angespielt. Wenige Zentimeter fehlten dem Südkoreaner, um den Ball über Torhüter Andreas Luthe zu spitzeln und das Führungstor zu erzielen. Insgesamt war aber auch Freiburgs Offensivabteilung etwas blass in der ersten Halbzeit.
Taktiker Streich macht das aber nicht am 5-3-2 (gegen den Ball) fest: „Wir waren in den ersten 30 Minuten zu ballunsicher. Einzelne Spieler hatten keine gute Ballsicherheit. Das ist dann immer schwierig, aber hat nichts mit dem System zu tun.“ Um trotzdem für mehr Offensivgefahr zu sorgen, ging es in der zweiten Halbzeit dann offensiver weiter und Freiburg stellt auch gegen den Ball wieder auf 3-4-3 um.
Die gezeigten Screenshots des Fußballspiels 1. FC Union Berlin gegen SC Freiburg unterliegen dem Urheberrechtsgesetz und wurden von Sky Deutschland übertragen. Sie werden hier im Sinne des §51 des Urheberrechtsgesetzes als Zitate verwendet, um die beschriebenen Szenarien bildlich zu untermauern. Sollte dies trotzdem nicht gewünscht sein, so werden sie auf Bitte des Rechteinhabers unverzüglich entfernt.
Autor: Nik Staiger (Twitter @Nik_Staiger)
17. Dezember 2021 um 21:51
Supergute Analyse und Beschreibung. (Mal wieder. )
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