Der SC Freiburg hat die Verpflichtung eines neuen Rechtsverteidigers bekannt gegeben: Der 19-jährige Hugo Siquet kommt vom belgischen Verein Standard de Liège in den Breisgau. Der U21-Nationalspieler Belgiens startet Anfang Januar und erhält die Rückennummer 2.
Siquets sportliche Heimat Lüttich
Hugo Siquet ist am 09.07.2002 in Marche-en-Famenne, einer kleinen Stadt 50 Kilometer südlich von Lüttich, geboren. Seine sportliche Heimat hat er beim „Royal Standard Club de Liège“ gefunden, wie Standard Lüttich in der Landessprache heißt. Siquet durchlief die komplette Jugendakademie des belgischen Erstligisten und konnte früh auf sich aufmerksam machen. So spielte er bereits mit 15 Jahren in den belgischen U-Nationalmannschaften und war dort sogar zeitweise Kapitän. Des Weiteren war der Belgier für die U21-Nationalmannschaft bei der laufenden Qualifikation für die U21-Europameisterschaft im Einsatz. Belgien gewann alle sechs Qualifikationsspiele mit Siquet im Kader (5 Einsätze, 2 Vorlagen).
Von der Aushilfe zum Stammspieler
Im Sommer 2020 unterschrieb Siquet seinen ersten Profivertrag bei Standard Lüttich und gab am 05.11.2020 sein Debüt im Europa League-Spiel von Liège gegen Lech Posen. Er fuhr verletzungsbedingt als Auswechselspieler mit und wurde zur Halbzeit eingewechselt. Ungewöhnlich war jedoch, dass der gelernte Rechtsverteidiger auf der linken Abwehrposition zum Einsatz kam. Sein Startelf-Debüt ließ nicht lange auf sich warten: Bereits drei Tage später durfte er im Jupiler Pro League-Spiel gegen den Royal Antwerpen FC von Beginn an ran, diesmal jedoch als Rechtsverteidiger.
Da der etatmäßige Rechtsverteidiger Collins Fai im darauffolgenden Spiel wieder einsatzbereit war, rückte Siquet vorerst wieder zur U21 zurück. Erst an Weihnachten, genauer am 26.12.2020, bekam er seinen nächsten Kurzeinsatz und überzeugte sofort mit der Vorbereitung des Siegtors, was ihm erneut einen Startelf-Platz im darauffolgenden Spiel einbrachte – diese Torvorbereitung wiederholte er und so konnte er den Rechtsverteidiger-Stammplatz in erneuter verletzungsbedingter Abwesenheit von Fai für sich gewinnen und später gegen dessen Rückkehr behaupten.
Wettbewerbsübergreifend kam Siquet in seiner Debüt-Saison auf 26 Einsätze (1.891 Spielminuten) und bereitete dabei sechs Tore vor. In der laufenden Saison 21/22 ist er unangefochtener Stammspieler auf der rechten Seite und absolvierte jedes Ligaspiel von Beginn an, trug jedoch nur noch eine Vorlage zum Spiel der Lütticher bei.
Das Positions-Profil
Hugo Siquet ist ein Rechtsverteidiger, jedoch keiner der klassischen Sorte. Siquet spielt einen modernen, offensiv ausgerichteten Rechtsverteidiger, der im eigenen Ballbesitzspiel gerne neben oder sogar in den gegnerischen Strafraum zieht. Dies wird dadurch unterstützt, dass Liège ein sehr enges 4-3-1-2 bzw. ein 4-4-2 mit einer engen Mittelfeld-Raute spielt. Hierbei dürfen die Außenverteidiger sehr weit aufschieben, die defensiven Lücken werden aus dem zentralen Mittelfeld gefüllt. Diese offensive Ausrichtung führt dazu, dass Siquet problemlos den Rechtsverteidiger in der Viererkette oder den „rechten Außenspieler“ zur Dreierkette spielen kann.
Sein Profidebüt gab Siquet zwar als Linksverteidiger, diese Position hat er seitdem aber in Pflichtspielen des Vereins nicht wieder gespielt.
Die Schnelligkeit – Stärken
Siquet ist ein schneller Spieler, das gilt sowohl für den Antritt als auch die Endgeschwindigkeit. Er hat kein Problem, über 90 Minuten den kompletten Flügel des Feldes zu bespielen, das tat er bei Liège als Rechtsverteidiger genauso wie als rechter Außenspieler.
Freiburgs Sportdirektor Klemens Hartenbach lobt den Belgier in der Pressemitteilung des Vereins für „seine Spielintelligenz, seine Energie und seinen ständigen Vorwärtsdrang“. Diese Qualitäten lassen sich auch in seinem Spiel erkennen. Immer wieder startet Siquet die Lütticher Angriffe über seinen rechten Flügel. Mit 14,42 progressiven Pässen pro 90 Minuten trieb der Rechtsverteidiger den Ball immer wieder nach vorne und gehörte damit zu den besten Außenverteidigern der Liga. Doch auch in der finalen Angriffsphase ist Siquet besonders gefährlich.
Das offensive Passspiel – Stärken
Dabei ist er nicht selbst torgefährlich, er hat in seinen 42 Pflichtspieleinsätzen kein einziges Tor geschossen, er ist ein Torvorbereiter. Siquet bringt 5,09 Flanken pro Spiel in den gegnerischen Strafraum. Dabei sind vor allem seine scharfen, flachen Flanken in den Rücken der Abwehrkette hervorzuheben. Er attackiert sehr aggressiv den „Corridor of Uncertainty“ (der Bereich vor dem Tor, bei dem es keine klare Aufgabenverteilung zwischen Torwart und Abwehrspieler gibt, da die Abwehrspieler zum Tor hin verteidigen müssten) und sorgt so immer wieder für Chancen.
Seine Vorlagen sind zwar von sechs in der vergangenen auf eine einzige in der laufenden Saison geschrumpft, die Qualität seines Spiels nahm jedoch zu. Der Belgier bereitet im Schnitt zwei Schüsse pro Spiel vor und spielte diese Saison bereits drei Großchancen heraus. (Vergleich: Christian Günter 3 Torschussvorbereitungen pro Spiel, 5 herausgespielte Großchancen; Lukas Kübler 0,5 Torschussvorbereitungen pro Spiel, 0 herausgespielte Großchancen) Die Statistiken sprechen also dafür, dass die Abnehmer seiner Flanken einfach weniger Erfolg bei den Torabschlüssen hatten.
Auch außerhalb der Statistiken lassen sich in seinem Spiel immer wieder Kombinationen mit seinen Mitspielern finden, durch die er Angriffe aus dem Nichts gegen eine solide stehende Defensive kreieren kann. In diesem engen Kombinationsspiel genauso wie bei den Flanken überzeugt Siquet durch die hohe Präzision seiner Pässe. Die Fehlpässe (73% Passquote) entstehen meist bei abgewägten Risikopässen, so sinkt seine Passquote in der gegnerischen Hälfte im Vergleich zur eigenen um 20%.
Seine vertikalen Anspiele in die Spitze oder hinter die Abwehrkette sind ebenfalls hervorzuheben, hier bringt er mit einer Passgenauigkeit bei Steilpässen von 60% ca. drei Steilpässe pro Spiel an – beim SC Freiburg weist nur Philipp Lienhart (2,5 angebrachte Steilpässe pro Spiel, 64% Genauigkeit) ähnliche Statistiken auf.
Das Defensivverhalten – Schwächen
Geht man nach einem bekannten Zitat von Jamie Carragher, wäre Siquet eher der Spielertyp „gescheiterter Flügelspieler“. Carragher sagte das natürlich spaßeshalber, die Beschreibung der Spielertypen trifft es in den meisten Fällen aber durchaus.
„Außenverteidiger sind entweder gescheiterte Innenverteidiger oder gescheiterte Flügelspieler. Niemand wächst auf mit dem Gedanken, Gary Neville sein zu wollen.“
Jamie Carragher
Entsprechend seines Spielertyps hat auch Siquet seine Schwächen in der Defensive. Er ist im Vakuum kein schlechter Zweikämpfer, hat jedoch eine Tendenz, am eigenen Strafraum eher die Außenseite eines Gegenspieler zu attackieren, was dazu führt, dass er häufiger zu seiner Innenseite geschlagen wird. Verstärkt wird dieses Verhalten, wenn sein direkter Gegenspieler vom Außenverteidiger hinterlaufen wird. Anstatt den inneren Spieler abzusichern, überlässt er diesen frühzeitig sich selbst und möchte den Pass nach außen abfangen, was zu Chancen in der Zentrale führt.
Zur Einordnung: Diese Problemstelle dürfte beim SC Freiburg deutlich weniger auffallen, da Siquet vermutlich entweder vor einer Dreierkette auflaufen wird, sodass der innere Gegenspieler einen eigenen Innenverteidiger zugeteilt hat, oder vor der Viererkette noch ein Flügelspieler agiert, der den gegnerischen Linksverteidiger begleitet. Standard Lüttich spielte die Viererkette ohne offensive Flügelspieler, weshalb Siquet in solchen Situationen häufiger alleine gelassen wurde.
Die Dribblings – Schwächen
Eine weitere Schwäche sind die Dribblings des U-Nationalspielers. Mit nur 33% Erfolgsquote verliert er auf engen Räumen häufiger die Bälle, was dann zu schwerwiegenden Kontern in seinem Rücken führen kann. Entsprechend hat Siquet seine Dribblings zwar auf ein Minimum reduziert, das bedeutet aber auch, dass es ihm schwer fällt, in einer Eins gegen Eins-Situation zu gewinnen und ohne die Hilfe seiner Mitspieler gegnerischen Druck nach vorne aufzulösen.
Werte sind ihm wichtig
Der 19-Jährige gibt sich bei den Worten zu seinem Antritt sehr bodenständig:
„Der SC Freiburg ist ein sehr ehrgeiziger und familiärer Verein, der auf und neben dem Platz meine Werte abbildet. Ich bin voller Vorfreude, bald für Freiburg spielen zu dürfen.“
Auch bei seiner Verabschiedung von den Standard Liège-Fans bedankt er sich für die jahrelange Unterstützung und lässt die Fans wissen: „Die Arbeit ist noch nicht vorbei. Ich habe noch einige Spiele für diesen Verein und werde bis zum Schluss 200% geben, wie ich es seit meinen Anfängen immer getan habe. Ich hoffe, dass Ihr mich und den Verein meines Herzens auch weiterhin unterstützen werdet… in guten wie in weniger guten Zeiten.“
„Wollte mir meinen Kindheitstraum erfüllen“
Hartenbach sagte in der Pressemitteilung, dass ein Wechsel im vergangenen Sommer nicht möglich gewesen sei. „Umso größer ist die Freude jetzt.“ Nachdem zuerst kein genauer Grund bekannt war, wieso es im Sommer nicht klappte, klärt Siquet in seinem Instagram-Posting auf: „Ich konnte nicht gehen, ohne die Gelegenheit zu haben, vor euch [Fans] zu spielen und mir meinen Kindheitstraum zu erfüllen, in einem vollen Sclessin [Stadion von Standard Liège] zu spielen.“
Ein bodenständiger Außenverteidiger mit viel Talent
Mit Hugo Siquet ist dem SC Freiburg ein weiterer Transfercoup gelungen. Der talentierte Rechtsverteidiger war unter anderem von RB Leipzig umworben worden – umso beeindruckender die Leistung von Hartenbach, Saier und Co, Siquet vom familiären Klub aus dem Breisgau zu überzeugen.
Wie gewöhnlich gibt der SC Freiburg weder Vertragslaufzeiten noch Ablösemodalitäten bekannt, das Fußballportal Transfermarkt taxiert den Transferpreis jedoch auf 5,5 Millionen Euro. Für diese Ablösesumme ist Hugo Siquet ein starker Neuzugang, der nur darauf wartet, von Cheftrainer Christian Streich gecoacht und noch besser gemacht zu werden, um dann die schon länger etwas schwächelnde rechte Defensivseite der Freiburger zu verstärken.
Herzlich Willkommen im Breisgau, Hugo Siquet!
Quelle Titelbild: SC Freiburg
Autor: Nik Staiger (Twitter @Nik_Staiger)
2. Dezember 2021 um 15:20
Warum setzt der SC nicht auf seine eigenen Talente wie z.B. Claudio Kammerknecht oder Weishaupt?
Mangels Klasse oder perspektivisch nicht so interessant.
2. Dezember 2021 um 17:05
Hallo Martin,
beide von dir aufgeführten Spieler sind keine Rechtsverteidiger.
Claudio Kammerknecht ist ein Innenverteidiger, der in der zweiten Mannschaft nur Rotationsspieler ist, dazu ist er mittlerweile schon 22 Jahre alt, sodass er auch im Entwicklungsprozess eigentlich schon weiter ist. Dass er keinen Profivertrag besitzt, spricht dafür, dass der SC ihm auch als IV keine Perspektive zutraut.
Noah Weißhaupt bekam zwar einen Profivertrag, ist jedoch Offensivspieler. Er spielte in der vergangenen Viertliga-Saison der U23 die LM-Rolle vor der Dreierkette, jedoch war Freiburg so spieldominant und offensiv, dass er auf Bundesliga-Ebene vermutlich eher als Linksaußen (oder ggf. Rechtsaußen) seine Position finden wird. Er wurde diese Saison zwar schon zwei Mal für den Rechtsverteidiger in der Bundesliga eingewechselt, jedoch wechselte er sich einmal mit Schade die Defensivaufgaben hab, beim zweiten Mal ging Roland Sallai auf RV zurück und Weißhaupt spielte RA – beides waren klar offensive Manöver, um noch ein Tor zu schießen.
Der SC Freiburg setzt in der Regel sehr gerne auf die eigene Jugend, wie sich diese Saison ja zeigte – gleich 7 U23-Spieler rückten zur Bundesliga-Mannschaft auf und/oder bekamen einen Profivertrag (Atubolu, Sildillia, Ezekwem, Weißhaupt, Schade, Kehrer, Burkart). Davon ist Schade schon fester Bestandteil der Bundesliga-Rotation. Aus dieser Spielergruppe, der man in naher Zukunft den Sprung zutraut, ist lediglich Sildillia spannend für die Position rechts hinten. Er hatte das jetzt ja auch gespielt. Langfristig ist aber auch Sildillia eher ein Innenverteidiger und man plant mit ihm wohl eine Position zentraler.
Hoffe, ich konnte deine Frage beantworten! 🙂
3. Dezember 2021 um 15:53
Der Beitrag gefällt mir sehr gut, vielen Dank dafür. Da freut man sich ja schon sehr, dieses große Talent in der Bundesliga zu sehen 🥳.
Mir ist aber aufgefallen, dass beim Geburtstag ein kleiner Fehler unterlaufen ist. Siquet ist am 09.07.2002 geboren und nicht am 09.02.2002 😅.
Pingback: Streich: Gut, dass Hugo kein fertiger Spieler ist
3. Dezember 2021 um 17:30
Da hast du natürlich recht! Das ist mir wohl beim Abtippen passiert. Vielen Dank für den Hinweis, ist korrigiert. 🙂
3. Dezember 2021 um 18:41
Das ist ein sehr guter, informativer Bericht über einen hoffnungsvollen Transfer des SC Freiburg. Persönlich würde mich noch die Körpergröße von Siquet interessieren. Den Fotos und Videos nach zu urteilen scheint er für einen Außenberteidiger ja ungewöhnich groß zu sein.