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Bayerns Phantomwechsel: Fehler und Konsequenzen

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Im Bundesligaspiel gegen den SC Freiburg wechselte der FC Bayern Marcel Sabitzer ein. Doch es ging niemand raus! Was bei den Verantwortlichen schief lief und wieso dieser Phantomwechsel wohl keine Folgen haben wird…

Was war passiert?

Nach einem Foul von Freiburgs Hugo Siquet an Bayerns Lucas Hernandez gab es eine Spielunterbrechung, bei der Julian Nagelsmann wechselte. Niklas Süle kam für Corentin Tolisso. Der erst 20 Minuten vorher eingewechselte Mittelfeldspieler klagte über Magenprobleme. Doch ein zweiter Wechsel passierte parallel: Marcel Sabitzer kam aufs Feld, ausgewechselt wurde laut Anzeigetafel die Nummer 29.

Das Spiel wurde fortgesetzt und nach 17 Spielsekunden wieder unterbrochen. Denn die Nummer 29 hat das Feld nicht verlassen – der FC Bayern hat keine 29. Sie ist Kingsley Comans Trikotnummer aus der vergangenen Saison, diese Saison trägt er die Elf, weshalb ihm die Auswechslung nicht bewusst war.

Die Verwirrung war groß, als Freiburgs Nico Schlotterbeck Schiedsrichter Christian Dingert darauf hinwies: Schiri, die haben 12 Mann auf dem Feld! Coman hatte das Feld schon 20 Sekunden nach Spielunterbrechung verlassen, trotzdem dauerte es sechs Minuten bis zur Spielfortsetzung, denn es musste im Regelbuch nachgelesen werden.

Was sagt das Regelwerk?

Das Regelwerk hat hier eine klare Richtlinie. Regel 3 besagt: „Ein Auswechselspieler betritt das Spielfeld ausschließlich (…) nachdem der ausgewechselte Spieler das Spielfeld verlassen hat und nach einem Zeichen des Schiedsrichters. Die Auswechslung ist vollzogen, wenn der Auswechselspieler das Feld betritt.“ Was lässt sich daraus deuten?

Da der Schiedsrichter, in dieser Situation vertreten durch den vierten Offiziellen, Sabitzer das Okay gegeben hat, betritt dieser im Guten glauben das Feld, dass alles in Ordnung ist, auch wenn die andere Regel, der ausgewechselte Spieler muss das Feld verlassen, noch nicht erfüllt ist. Nach Betreten des Spielfeldes – durch den Schiedsrichter genehmigt – ist die Auswechslung vollzogen. Offiziell ist nun Sabitzer auf dem Platz, Coman ist ausgewechselt.

Da Coman sich weiterhin auf dem Platz aufhält, greift ein weiterer Teil der Regel 3: „Bei jedem anderen Verstoß werden die Spieler verwarnt und wird das Spiel mit einem indirekten Freistoß an der Stelle fortgesetzt, an der der Ball sich zum Zeitpunkt der Unterbrechung befand.“

Drei Fehler von drei Protagonisten

Den ersten Fehler machte laut Schiedsrichter Dingert Bayerns Teammanagerin Kathleen Krüger: „Es wurde von Bayern zunächst eine falsche Nummer angezeigt.“ Krüger gab für den Wechsel des FC Bayern die 29 statt die 11 durch, weshalb das auf der Auswechseltafel angezeigt wurde. Coman fühlte sich nicht angesprochen und blieb auf dem Feld.

Den zweiten Fehler machte der vierte Offizielle Arno Blos. Der DFB-Schiedsrichter gab Sabitzer das Okay für eine Einwechslung, obwohl er nicht sehen konnte, dass ein Spieler mit der Nummer 29 das Feld verlassen hatte. Das Regelwerk verbietet es zwar Sabitzer, das Feld vorher zu betreten, der bzw. die Schiedsrichter*innen sind aber für die Einhaltung des Regelwerks zuständig. Von Blos gab es jedoch die fälschliche Zustimmung.

Die drei Protagonisten der Fehlersammlung im Austausch mit Bayerns Thomas Müller. (v.l.n.r. Kathleen Krüger, Thomas Müller, Arno Blos, Christian Dingert)

Der dritte Fehler passierte dann Christian Dingert. Der Schiedsrichter setzte das Spiel mit Schiedsrichterball fort. Das Regelwerk spricht jedoch klar von einem indirekten Freistoß. Des Weiteren hätte er Coman verwarnen müssen, da dieser das Feld nicht verlassen hatte. Dass er Coman, der an diesem Fehler offensichtlich keine Schuld trägt, keine gelbe Karte zeigte, lässt sich mit Sicherheit mit Fingerspitzengefühl begründen. Die falsche Spielfortsetzung bleibt jedoch – und das, obwohl man sechs Minuten lang nachgelesen hatte.

Welche Konsequenzen drohen dem FC Bayern?

Was kann dieser Phantomwechsel für Auswirkungen haben? Grundsätzlich muss unterschieden werden zwischen der Schuldigkeit. Wird die Schuld beim FC Bayern gesehen, könnte das Spiel statt mit dem Ergebnis auf dem Platz (SC Freiburg 1:4 FC Bayern) am sog. grünen Tisch mit 2:0 gegen den FC Bayern und damit für den SC Freiburg bewertet werden. Liegt ein gravierender Fehler des Schiedsrichters vor, würde es keine Wertung gegen die Münchner sondern ein Wiederholungsspiel geben.

Ein Sieg für den SC Freiburg ist daher unwahrscheinlich. Doch war es ein gravierender Fehler des Schiedsrichters? Vermutlich nicht. Weder Kingsley Coman noch Marcel Sabitzer hatte in der Zeit einen Ballkontakt, sie hatten keinen Einfluss auf das Spielgeschehen und es waren nur 17 Sekunden. Eine Beeinflussung des Spielergebnisses hat nicht stattgefunden, denn zum Zeitpunkt des Vorfalls stand es bereits 1:3 und es waren (regulär) nur noch sechs Minuten zu spielen.

Das Regelwerk geht sogar noch weiter: Im hypothetischen Fall, dass in der Zeit der Überzahl ein Tor gefallen wäre, würde das zählen! Vorausgesetzt, der zwölfte Spieler (nach offizieller Einwechslung Sabitzers also Kingsley Coman) hatte keinen Einfluss auf der Tor – oder der SC Freiburg hätte eines erzielt. Nur wenn der zusätzliche Spieler „das Tor erzielt“ oder „ins Spiel eingegriffen“ hat, muss es aberkannt werden (siehe Regel 3 „Erzielen eines Tors mit einer zusätzlichen Person auf dem Spielfeld“)

Freiburger Protest wäre Voraussetzung für Prüfung

Freiburgs Cheftrainer Christian Streich äußerte nach dem Spiel sein Vertrauen ins Regelwerk: „Ich gehe fest davon aus, dass wir keinen Einspruch einlegen müssen. Es gibt ein Regelwerk. Diesem Regelwerk unterliegen wir und danach wird gehandelt. Das ist mein Verständnis.“ Doch Streichs Verständnis ist falsch.

Ein Protest des SC Freiburg wäre notwendig, damit das Vorgehen vom Sportgericht überprüft wird. Dieses müsste dann entscheiden, ob der FC Bayern oder die Schiedsrichter Schuld sind – und ob es eine Maßnahme rechtfertigt.

Laut Sport1-Journalist Kerry Hau hat es nach dem Spiel eine Unterhaltung zwischen Bayern Hasan Salihamidžić (Sportdirektor) und Oliver Kahn (Vorstandsvorsitzender) und Freiburgs Jochen Saier (Vorstand Sport) gegeben, man sei „freundschaftlich“ auseinandergegangen. Der FC Bayern erwarte keinen Protest der Freiburger. „Ich habe mit ein paar Freiburger Verantwortlichen geredet, die können das auch gut einschätzen“, sagte Trainer Nagelsmann. Von einem Protest der Freiburger ist also nicht auszugehen.

Der Wolfsburg-Vergleich: Was ist anders?

Bei vielen Fans kam natürlich der Wechselfehler von Mark van Bommel in den Kopf. Der ehemalige Cheftrainer des VfL Wolfsburg wechselte in der ersten Pokalrunde ein sechstes Mal, ohne dass dieser zusätzliche Wechsel (zu den vorhandenen fünf) erlaubt wäre. Dadurch wurde das Spiel mit 2:0 für Preußen Münster gewertet. Der ehemalige Wolfsburger war von einem zusätzlichen Wechsel in der Nachspielzeit ausgegangen, den es laut Regelwerk jedoch nicht gab.

Beim VfL Wolfsburg wurde nach Rechts- und Verfahrensordnung des DFB geurteilt, dass der Spieler nach fünf stattgefundenen Auswechslungen „nicht einsatzberechtigt“ gewesen ist. Das war hier nicht der Fall. Marcel Sabitzer war einsatzberechtigt und kam mit dem regulären fünften Wechsel auf den Platz. Es gab also keinen Verstoß gegen die Rechts- und Verfahrensordnung, sondern gegen die Spielregeln – ein großer Unterschied.

Anders wäre das gewesen, wenn durch den verspäteten Wechsel ein viertes Wechselfenster in Anspruch genommen worden wäre, was nicht erlaubt ist. Dann hätte der FC Bayern auch gegen die Rechts- und Verfahrensordnung verstoßen. Das Regelwerk sagt jedoch klar, dass der Wechsel abgeschlossen ist, wenn der Auswechselspieler (Sabitzer) das Feld betritt (siehe oben). Somit wurden die Einwechslung von Sabitzer und Süle im selben – regulären dritten – Wechselfenster durchgeführt.

Vielen Dank an Collinas Erben, die mit ihrer Aufklärung auf Twitter (@CollinasErben) die letzten Zweifel bzgl. so mancher Regelanwendungen beseitigten!

Autor: Nik Staiger (Twitter @Nik_Staiger)

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