Krösche vertreibt Ben Manga aus Frankfurt? Will Hinti loswerden? Gibt unnötig Millionen für Hauge aus? Und die SGE-Bubble eskaliert in Teilen und fordert den Kopf des Sportvorstandes von Eintracht Frankfurt, die gerade sensationell Europa League Sieger wurde. Was geht denn hier ab???
Interessant, nicht wahr? Kaum erlebt die magische SGE einen der größten Triumphe der Vereinsgeschichte, da mehreren sich seltsame Geschichten und schüren Unruhe. Gestern war der „eben langt’s“-Punkt überschritten. Zeit für eine Bestandsaufnahme auf der Basis von verfügbaren Informationen sowie möglichst logischem Denken, ohne Insidergedöhns 🙂
Ein Jahr Markus Krösche
Schauen wir ein Jahr zurück. Hütter geht, Bobic geht, Hübner geht. Krösche beginnt am 01. Juni 2021 seinen neuen Job und hat gleich richtig viel zu tun. Ein neuer Trainer muss her: Oliver Glasner kommt am 01.07.21. Ben Manga war vom Chefscout zum Direktor Profifußball aufgestiegen. Top-Torjäger Andre Silva hat eine nette AK und wechselt dorthin, wo Markus Krösche gerade herkommt. Auch sonst muss er sich mit einigen kreativen Lösungen seines Vorgängers Fredi Bobic herumschlagen, mit den Auswirkungen einer Pandemie und der Vorgabe, Einnahmen zu erwirtschaften. Sicher kein Wunscheinstand für einen neuen SV. Als wär das nicht genug, eskalieren Filip Kostic und Amin Younes. Von Blanco, Hoffnungsträger für die Entwicklung der Nachwuchsarbeit, ganz zu schweigen.
Von Oliver Glasner ist bekannt, dass ihm defensive Stabilität wichtig ist – unter Hütter war die SGE hier arg anfällig. Wie schon Hütter gilt Glasner als Trainer mit Faible für Viererkette. Die er zeitweise testete, aber genauso wie Hütter wieder sein ließ. Den größten Einfluss in dieser Hinsicht hat der letzte verbliebene Unterschiedsspieler der Eintracht: Filip Kostic. Der sich aber kurz vor Saisonbeginn noch wegstreiken will. Man muss die Abgänge von Silva und Jovic im Sturm kompensieren, aber der Wunschstürmer Randal Kolo Muani ist nicht finanzierbar, der Präsident des FC Nantes stellt sich quer. Es wären Verkäufe wie die von Kostic nötig, um wichtige Neuzugänge wie Thuram zu finanzieren, aber das klappt nicht.
Markus Krösche muss für zahlreiche Eventualitäten planen. Geht Kostic auf den letzten Drücker oder nicht? Sein möglicher Nachfolger wird klar gemacht: Jens Petter Hauge kommt als Leihkauf vom AC Mailand. Geht Kostic, kann Glasner damit auf Viererkette umstellen. Hauges Paradeposition ist Linksaußen, kein Schienenspieler wie Kostic. Wirklich zeigen kann er sich dort nicht, spielt alles mögliche von OM, RA über HS bis MS. Kommt zudem erst spät nach Frankfurt, verpasst einiges an Vorbereitung sowie mehrere Spiele verletzungsbedingt. Da sein Kollege Jesper Lindström durchstartet, ist Hauge eher die Teilzeitkraft – kommt damit immerhin auf 38 Einsätze und 5 Scorer. Keine so positive Saison wie beim „Rookie of the year“, aber sicher auch keine schlechte. Während Kostic sich nach seinem Streik berappelt und bald wieder Vollgas gibt.
Das Thema Hauge
Was Krösche nun vorgeworfen wird: Hauge zu teuer, überhaupt ein Fehleinkauf.
Eintracht-Fans, deren Erinnerungsvermögen die Halbwertszeit einer Saison überschreitet, wissen: Kaum ein junger Spieler startet hier sofort in der ersten Saison durch. Tuta wurde erst nach Belgien verliehen, Kamada brauchte sogar zwei Jahre Anlauf, auch Rekordeinkauf Sow wurde trotz hoher Einsatzzeiten erst im dritten Jahr wirklich stark. Von der Büffelherde, wo nur Haller im ersten Jahr halbwegs lieferte, oder Silva ganz zu schweigen. Selten dass jemand wie NDicka direkt zum überzeugenden Stammspieler wird – der 22jährige ist übrigens bereits seit vier Jahren bei der SGE und kostete damals 5,5 Millionen Ablöse. Lindström und Borre haben sich im Laufe ihrer ersten Saison erst sukzessive gesteigert, vor allem dank intensiver Spielpraxis.
Bleibt der Preis. Hessische Journalisten, die nah an der Eintracht sind, schreiben von 7 oder 8 Millionen. Aus dem Mailänder-Umfeld werden eher 12 Millionen kolportiert. Eine wirklich gesicherte, offizielle Zahl gibt es nicht. Wenn man wieder ein Jahr zurückdenkt: Kostic vor dem Absprung, kein Stürmer Nr. 1, wenig Geld zum investieren, da es für Silva zu wenig gab und für Lindström bereits 7 Millionen investiert wurden. Sam Lammers wurde verpflichtet, der seine PS leider nicht auf die Straße brachte. Für eine Direktverpflichtung Hauges reichte es nicht. Also gab es einen dieser kreativen Leihdeals mit einer Kaufverpflichtung, die leicht zu erreichen war: Klassenerhalt. Damit wurde die Zahlung der Ablöse für Hauge um ein Jahr verschoben, auf diesen Sommer. Was meinen geschätzten Balljungs-Kollegen Nik dazu bringt, Leihgebühr und Kaufsumme zu summieren und eben eher von 12 Millionen auszugehen. Sicher ein stolzer Preis in diesen Zeiten. Angesichts dessen, das bis zu 20 Vereine um Hauge konkurriert haben sollen und die SGE aufgrund des drohenden Kostic-Abgangs und der Verluste in den Offensiv-Reihen hohen Handlungsdruck hatte, allerdings auch nachvollziehbar.
Insofern sehe ich den Transfer von Hauge bislang keinesfalls als Fehlschlag. Und sein Können würde ich erst am Ende der Saison 22/23 seriös beurteilen wollen. Dass er etwas kann und wichtige Fähigkeiten mitbringt, hat er bereits gezeigt. Seine Defizite resultieren daraus, dass er nicht seine beste Position spielen darf bzw. lassen sich in einem weiteren Jahr mit ausgiebiger Vorbereitung sicher von Oliver Glasner angehen. Das Beste für Hauge wäre es, wenn zeitnah ein gutes Angebot für Kostic hereinkäme. Auch wenn der Verlust dieses Unterschiedsspielers sicher viele schmerzen würde.
Die Hinti-Army
Genauso würden viele den Abgang von Martin Hinteregger ungern sehen. Auch hier gab es die letzten Wochen und vor allem Tagen einiges an medialem Störfeuer, dummerweise von Hinti selbst initiiert. Einige feiern ihn dafür, weil es für seine offene Art steht. Ein Profi, der sich nicht hinter belanglosen Floskeln versteckt, sondern sich auch als Mensch fühlbar macht. Allerdings werfen seine Äußerungen ein schlechtes Licht auf Markus Krösche.
Wenn man hier die komplette Saison betrachtet: Hinti war zu Saisonstart meines Erachtens nicht wirklich fit, kein Vergleich zu Musterprofis wie NDicka oder Hasebe. Dazu die Bürde des Kapitänsamtes, von der er zum Glück befreit wurde. Seine hartnäckige Schulterverletzung, durch die er lange gehandicapt war, aber trotzdem spielte. Das Fehlen der Fans, die gerade einem Mentalitätsspieler wie ihm viel bedeuten. Es dauerte, bis Glasner mit NDicka, Hinti und Tuta endlich die richtige Besetzung der Dreierkette fand.
Dazu kommt, dass Hinteregger einen der besten Verträge im aktuellen Kader besitzen dürfte. Also die Art Vertrag, die zu Corona-Zeiten ungünstig sind für den Verein. Jeder Club, der nicht durch einen Scheich oder rechtsnationale Typen gesponsort wird, setzt derzeit alles daran, diese Verträge loszuwerden und die Fixkosten zu senken.
„Keiner ist unverkäuflich.“ Das ist das einfache Credo. Und das gilt auch für Hinti. Dazu kommt, dass Markus Krösche zeitnah Verstärkung für die Defensive klar gemacht hat: Tuta hat verlängert; mit Jérôme Onguéné kommt ein Spieler von RB Salzburg, der bereits Champions League Erfahrung hat. Nachdem gestern Abend das kroatische Pokalfinale gespielt wurde, dürfte auch der Transfer von Hrvoje Smolčić zeitnah bekannt gegeben werden. Und Almamy Toure hat zuletzt so überzeugt, dass er ebenfalls bleiben könnte – auch wenn er aufgrund seiner Leistungen Interesse geweckt haben dürfte. Krösche hat hier also den möglichen Abgängen vorgebaut. Vor allem NDicka ist das heißeste Eisen im Feuer. Noch jung, aber gleichzeitig erfahren, für mich hat er seine internationale Klasse bereits gezeigt und sich im Pokalfinale ins Rampenlicht gestellt. An sich müssten die großen Vereine bereits Schlange stehen. Allerdings könnte NDicka auch einfach seinen Vertrag erfüllen, das Jahr Champions League mitnehmen und danach ablösefrei wechseln.
In diesem Fall wäre Hinteregger der bestmögliche Defensivabgang, um Transfereinnahmen zu erwirtschaften. Seine aktuelle Verletzung spricht dagegen, könnte allerdings auch dafür sorgen, dass er zu Saisonbeginn das Nachsehen hat. Ein Verbleib von NDicka wäre für ihn der Worst Case. Dito die Umstellung auf Viererkette bei einem Abgang von Kostic. NDicka, Hinteregger, Tuta, Onguéné, Smolčić, Toure: Das sind aktuell sechs Innenverteidiger für drei bzw. zwei Positionen je nach System. Von Hasebe und anderen möglichen Backups ganz zu schweigen. Zumal weitere IV wie Souleymane Isaak Touré gerüchtet werden. Selbst bei Dreifachbelastung mehr als genug. Und im Falle einer Systemeinstellung definitiv zu viel.
Hinteregger dürfte aktuell der bestbezahlteste Defensivspieler der SGE sein sowie der, der am ehsten für Probleme sorgen kann. Gleichzeitig der mit dem größten Standing bei den Fans und einer, der in der Champions League auf Betriebstemperatur den Unterschied machen kann. Eine schwierige Situation. Sollte also für Hinti ein ordentliches Angebot hereinkommen, wär man sicher weiterhin bereit, ihn abzugeben. Vom Hof jagen, wie es seine etwas ungeschickten Formulierungen nahelegen, wird ihn niemand.
Perlentaucher Manga
Bleibt die Personalie Manga. Hier gab es im Oktober 2021 Berichte über Störungen in seiner Zusammenarbeit mit Markus Krösche, die nun wieder ausgegraben wurden. Insiderberichte im TM-Forum griffen einen möglichen Abgang auf. Ben Manga hat Vertrag bis 2026, möglicherweise aber auch eine Ausstiegsklausel. Man sollte allerdings berücksichtigen, dass die Situation letzten Oktober eine völlig andere war als aktuell. Der Gewinn der Europa League hat vieles verändert. Nicht nur die finanzielle Situation hat sich dadurch gebessert. Dieses Erfolgserlebnis dürfte auch die interne Chemie verbessert haben. Insofern hoffe ich sehr auf einen Verbleib von Ben Manga.
In Foren-Diskussionen läuft es oft darauf hinaus, dass alle tollen Transfers Ben Manga zugeschrieben werden und alle weniger erfolgreichen Markus Krösche. Das erscheint mir sehr simpel. Zum einen arbeitet Manga nicht allein, sondern hat ein Team hinter sich. Zum anderen dürften sich Manga, Krösche und Glasner eng über Transfers abstimmen. Dass Ben Manga vielleicht Spieler vorschlägt, die dann aus finanziellen Gründen oder aufgrund der Kaderzusammenstellung nicht finalisiert werden, ist nachvollziehbar. Dass Markus Krösche im Alleingang Spieler verpflichtet und Ben Manga als Kaderplaner dabei komplett übergeht, ist für mich unvorstellbar. Sicher gibt es Wunschspieler wie Hauge, den sowohl Glasner als auch Krösche schon bei ihren vorherigen Stationen gern verpflichtet hätten – aber auch Manga wird von Hauge eher nicht abgeraten haben 🙂
Zufall oder Anti-Krösche-Kampagne?
Auffallend ist, dass ausgerechnet nach dem Gewinn der Europa League und der Qualifikation für die Champions League Stimmung gegen Markus Krösche gemacht wird. Einerseits kann dies Zufall sein. Andererseits bildet eine so kurzzeitige Häufung ein Muster. Längst veraltete Artikel bezüglich Manga werden ausgegraben, Hinti stiftet Verwirrung und Hauge wird als schlechter und überteuerter Transfer angeprangert – und immer wird Krösche dabei in ein schlechtes Licht gerückt.
Vielleicht erinnert sich der ein oder andere an die Saison zuvor, als die SGE kurz davor war, sich über die Liga für die Champions League zu qualifizieren. Und durch die Bekanntgabe des Hütter-Wechsels die Mannschaft einbrach und die CL verspielte. Die Eintracht oder Hütter dürften an dieser vorzeitigen Bekanntgabe eher kein Interesse gehabt haben und manch einer vermutete, dass die Info aus dem Umfeld eines anderen Vereins publik gemacht wurde.
Wir dürften nie vergessen: Fußball ist ein Milliardenbusiness. Während die Vereine teilweise noch nicht so professionell aufgestellt sind wie klassische Wirtschaftsunternehmen. Während aufgrund der Fansituation eine völlig andere Emotionalität herrscht. Kein CEO dieser Welt wird mich jemals so begeistern können wie Peter Fischer. Dazu vergessen Fans schnell: Ob bei Hoeneß und Rummenigge in München oder die Geschichten rund um Messi und Ronaldo – deren Fanboys schauen da gern weg. Fußball ist auch Kommerz. Und wo Geld zu holen ist, wo viele Interessen bestehen, wird es schnell schmutzig. Und Fußballfans sind – ebenso wie Fußballer – nicht immer die schlausten Köpfe. Wenn ein angeblicher Insider schreibt, Manga würde wegen Krösche vielleicht die SGE verlassen wollen und Fans sofort den Kopf des Sportvorstandes fordern, kann ich nur den Kopf schütteln.
Also: Abregen, auf CL im kommenden Jahr freuen. Und darüber, was Eintracht Frankfurt diese Saison trotz aller Widrigkeiten erreicht hat.
#NurdieSGE
Bildnachweis: Eintracht Frankfurt auf Twitter.
17. Juni 2022 um 16:14
Hmm, schwierig. Du arbeitest in deinem Artikel wichtige Aspekte der Arbeit Krösches gut heraus. Und er hat insgesamt eine super Arbeit geleistet. Dennoch glaube ich, dass man sich aktuell für Ben Manga – und seine Verantwortlichkeit für das Scouting – aussprechen kann und sollte.
Dass sich die Transferoptionen aktuell in eine neue Richtung bewegen, ist nicht von der Hand zu weisen (z.B. Götze, Weghorst). Ein Castro ist da inzwischen die Ausnahme. Die Arbeit von Manga (sportliche Leistungen, Ablösesummen, unmittelbar guter Ersatz) ist einfach zu gut, um ihn im Regen stehen zu lassen und Spieler mit Namen zu holen, die sowohl vom Ego als auch vom Gehalt her vermutlich für die Eintracht ungesunde Vorstellungen haben.
Ich habe nichts gegen Krösche, aber ein Hinteregger und ein Manga sind einfach nicht ersetzbar.
17. Juni 2022 um 18:14
Für mich ist niemnand unersetzbar. Haben wir in den letzten Jahren gesehen als viele als unersetzbar geltende Spieler oder Verantwortliche gegangen sind. Und Hinti würde ich nach all seinen Eskapaden in den letzten 12 Monaten durchaus gern gehen sehen.
Bei Manga hoffe ich auf Verbleib. Wir werden noch oft genug Talente holen, wo er mit seinem Team die Akzente setzen kann. Aber du brauchst auch erfahrene Spieler – einige wie Ilsanker haben uns gerade verlassen, andere wie Hasebe werden seltener spielen. Wenn du dann einen Götze oder Alario (die beiden sind standjetzt am wahrscheinlichsten als Neuzugänge) im Kader hast, ist das viel wert bei einer Dreifachbelastung.